WM-Dritter Maximilian Hartung im Interview: Wer Spitzensport und Studium erfolgreich verbinden kann, hat riesen Glück
Frankfurt am Main, 27. Juli 2015 - Maximilian Hartung gewann bei den kürzlich ausgetragenen Fecht-Weltmeisterschaften in Moskau Bronze im Einzel und mit der Mannschaft. Damit verpasste das Team die erfolgreiche Titelverteidigung, denn fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte die deutsche Säbelmannschaft bei der WM 2014 überraschend die Goldmedaille gewonnen. Dies war der erste Mannschafts-Titel für Deutschland in dieser olympischen Disziplin. Parallel zum Leistungssport studiert der 25-Jährige Soziologie, Politik und Wirtschaft an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und engagiert sich ehrenamtlich im organisierten Sport.
Titelverteidigung mit der Mannschaft verpasst, aber Bronze gewonnen, auch im Einzel. Was überwiegt, der Ärger über die verlorenen Halbfinals oder die Freude über zwei Medaillen?
Mit zwei Medaillen im Gepäck kann man sich nur freuen! Wir haben eine starke Mannschaftsleistung abgeliefert und im Einzel bin ich nach diesem Ergebnis auf dem Weg zu den Olympischen Spielen.
Mit drei WM-Medaillen in den letzten zwölf Monaten hast Du einen Platz in der absoluten Weltspitze eingenommen umso erstaunlicher, da Du seit drei Jahren fast 600 km von Dormagen, Deinem Trainingsstützpunkt, entfernt studierst.
Als ich mich 2012 nach einem Studienplatz umgesehen habe, hat mich die Zeppelin-Universität in Friedrichshafen sehr angesprochen. Und als ich nach einem aufwendigen Auswahlverfahren die Zusage erhielt, war es im Grunde eine Bauchentscheidung, dort zu studieren. Ich habe mir erst danach alles so zurechtgebastelt, dass Sport und Studium funktionieren. Mein Trainer war anfangs wenig begeistert, das erste halbe Jahr hat er nicht mehr mit mir gesprochen. Aber obwohl ich am Bodensee so gut wie keine Trainingspartner habe, stimmt die Leistung - auch im Studium, zuletzt hatte ich einen Notendurchschnitt von 1,65. Der Aufwand dafür ist aber natürlich extrem hoch.
Wie sieht dieser Aufwand aus?
Vor der Weltmeisterschaft 2014 habe ich ein Vollzeit-Semester absolviert. In Friedrichshafen halte ich mich in erster Linie körperlich fit, mache viel Beinarbeit oder trainiere an einer Fechtpuppe. Das fechtspezifische Training findet nach wie vor in Dormagen statt, so dass ich viel Zeit auf der Autobahn verbringen musste. Mein fünftes Semester habe ich dann in Belgien an der Universität Gent verbracht und dort im ältesten Fechtclub der Welt trainiert ein langgehegter Traum von mir. Es ist dort wie in einem Museum, mit Ritterrüstungen und alten Gemälden im Eingangsbereich. Anschließend habe ich im Januar/Februar mein Pflicht-Auslandspraktikum im Europaparlament in Brüssel absolviert. Um weiter trainieren zu können, bin ich jeden Tag zwei Stunden pro Weg nach Gent gependelt und habe meine Trainingseinheiten mittags im Fitnessstudio im Parlament und am späten Abend in Gent eingelegt. Das hieß morgens um 06:30 Uhr aus dem Haus und um 22:30 Uhr wieder zurückkommen. Jedes Wochenende in dieser Zeit war dann Turnier, Training oder Ehrenamt angesagt. Nach meinem letzten Tag in Brüssel ging sofort der Flieger zum Grand Prix nach Südkorea. Dort habe ich dann teilweise zehn bis zwölf Stunden am Stück geschlafen. Ich bin zwar Siebter geworden, aber ich war platt. Deshalb habe ich jetzt auch ein Freisemester eingelegt, um meine Akkus wieder aufzuladen.
Als ob das alles nicht schon genug wäre, engagierst Du Dich auch noch ehrenamtlich - als Athletensprecher im Präsidium des Deutschen Fechter-Bundes, in der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes sowie im Aufsichtsrat der Deutschen Sporthilfe. Wie erklärst Du das einem Außenstehenden?
Das erklärt man eigentlich gar nicht, weil das keiner versteht. Aber das ist auch nicht wichtig. Ich will helfen, die Rahmenbedingungen für uns Athleten zu verbessern. Es wird ja immer so schön von DER Dualen Karriere gesprochen. Dieser Begriff stört mich, denn das vermittelt den Eindruck, dass es eine Musterlösung gäbe. Dabei sind die Herausforderungen immer individuell, jede Situation ist verschieden; jede Uni, selbst jeder Dozent geht anders oder auch gar nicht auf die Bedürfnisse von Spitzenathleten ein. Leistungssport und Studium sind zwei Fulltime-Jobs. Wer in Deutschland beides erfolgreich schafft, hat riesen Glück.
Wenn Du einen persönlichen Wunsch frei hättest, damit Du Spitzensport und Studium auch zukünftig gut vereinbaren kannst, dann
würde ich meine Uni an meinen Trainingsort teleportieren, oder andersrum. Spaß beiseite. Ich würde mir mehr Verständnis und Unterstützung in der Gesellschaft für den Leistungssport an sich wünschen. Denn das würde dann auch für das Studium helfen.
Steckbrief
Maximilian Hartung (* 8. Oktober 1989 in Aachen)
Sportart: Fechten (Säbel)
Wohnort: Dormagen / Friedrichshafen
Verein: TSV Bayer Dormagen
Größte Erfolge: Team-Weltmeister 2014, WM-Dritter 2015 im Einzel und mit dem Team, Team-Europameister 2015, EM-Zweiter 2015
Studium: Soziologie, Politik und Wirtschaft (Bachelor)
Universität: Zeppelin-Universität Friedrichshafen